Autor: Tom Avery
Titel: Der Schatten meines Bruders
Originaltitel: My Brother's Shadow
Genre: Jugendbuch
Veröffentlichung: 3. Februar 2014
ISBN: 978-3407820495
Preis: 12,95 Euro
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Kurzbeschreibung: N
ach dem Tod ihres Bruders steht Kaias Welt still. Was kommt
nach dem Nichts? Eine zutiefst berührende Geschichte über das
Weiterleben, wenn plötzlich nichts mehr ist, wie es war.
Kaias Bruder ist tot. Nichts mehr wie vorher. Nicht für Kaia und nicht
für ihre Mutter, die in ihrer Trauer die Tochter aus den Augen verliert.
Nur einer dringt noch zu Kaia durch: der wilde, stumme Junge, der neu
an der Schule ist. Wo kommt der Junge her? Gibt es ihn wirklich?
Langsam, sehr langsam fasst Kaia wieder Vertrauen zu ihren Freundinnen,
die sie davon überzeugen, dass echte Freundschaften auch tiefe Krisen
überwinden.(
Quelle)
Meine Meinung:
"Schneide tief in einen Baum, und beim Wachsen wächst seine Narbe mit. Sie heilt nicht. Sie verschwindet nicht. Sie wird groß wie der Baum." (Seite 48)
Es gibt Bücher, viel zu viele Bücher, die viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt bekommen als sie verdient haben. Man wird ihnen nicht gerecht, denn sie gehen in der Masse unter. Dieses kleine Büchlein mit gerade einmal 150 Seiten gehört dazu. Es bekommt viel zu wenig Aufmerksamkeit und zumindest ein kleines bisschen möchte ich das ändern.
Denn ich habe selten ein Buch erlebt, in dem auf so wenig Seiten so viel Gefühl vermittelt wurde. Im Mittelpunkt des Romans steht Kaia, die vor Beginn der Handlung ihren Bruder tot in seinem Zimmer gefunden hat und seitdem nicht nur mit dem Verlust des geliebten Menschen zu kämpfen hat, sondern auch mit allen Widrigkeiten, die das Leben infolgedessen in ihren Weg gelegt hat. Ihre Mutter ist scheinbar an dem Tod zerbrochen und in der Schule hat Kaia den Anschluss zu ihren Freundinnen längst verloren.
Ihre Geschichte wird sehr intensiv aus der Ich-Perspektive erzählt und so nimmt der Leser direkt an jedem ihrer Gedankengänge teil. Das ist besonders, denn sie denkt viel, sie denkt viel über Dinge nach, die in ihrem Alter nicht selbstverständlich sind.
Der wilde, stumme Junge, der auftaucht und zu Kaias Freund wird hat eine einzigartige Stellung. Er spricht nicht, seine Handlungen wirken konfus und trotzdem ist über weite Teile er es, der Kaia weiterhilft. Dabei kann er nicht charakterisiert werden.
"Ich bin festgefroren in der Vergangenheit. Festgefroren seit einem Tag, den ich niemals vergessen werde. Erstarrt. Erstarrt. Erstarrt." (Seite 11)
Ganz im Gegensatz zu Kaia. Ihr Charaktere und ihre Verhaltensweisen sind fein gezeichnet und in sich vollkommen schlüssig. Aus ihrer sehr reflektierten Art ergeben sich für sie zehn "Lebensregeln", die sich jeder Leser auch zu Herzen nehmen kann und von denen sich jeder etwas persönlich mitnehmen kann, was sein Leben bereichert.
Es steckt so viel mehr hinter dieser Geschichte als nur der Umgang mit dem Verlust. Familie, Schule und insbesondere Freundschaften sind die Themenfelder, an die man ganz nah herangeführt wird. Man muss sich darauf einlassen, auf diese Geschichte und auch auf den Stil der Geschichte, man muss sich berühren lassen, aber dann kann man etwas Besonderes erleben.
"Tränen sind sonderbar. Sonderbar, weil es Tränen der Trauer und Tränen der Freude gibt, aber sie kommen immer, wenn die Welt mehr ist, als man aushalten kann, wenn die Gefühle überfließen, wenn unsere Freude und unser Leid irgendwo ein Leck haben wie ein Boot." (Seite 95)
Dabei muss der Leser dann aber am Ende auch akzeptieren, dass eine Frage, die bei jedem unweigerlich beim Lesen aufgeworfen wird, nicht abschließend geklärt wird, sondern dass hier Spielraum für die eigenen Gedanken bleibt.
Weder diesen Punkt noch dass die Nebencharaktere - das heißt die Klassenkameraden Kaias - stereotyp bleiben, sehe ich als Manko der Geschichte. Auf dieser geringen Seitenzahl und mit dieser hohen Intensität ist es nicht vorstellbar mehr als ein oder maximal zwei Charaktere genau und detailliert auszuführen.
Das Ende macht Mut - so viel sei hier vorweggenommen und es lässt den Leser zwar mit einem Herz zurück, das voller Gefühle ist und vielleicht auch mit Tränen in den Augen, aber es ist kein Ende, das verzweifeln lässt oder ähnliches.
Fazit: Ein Buch, dem die Leserwelt bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat und für das man sich einfach mal Zeit nehmen sollte. Gelesen sind die 150 Seiten schnell, aber danach wirkt es weiter und es empfiehlt sich unbedingt der Geschichte danach etwas Zeit zu geben zu wirken und sie sacken zu lassen. Unglaublich berührend und so viel Gefühl, das beim Lesen das Herz überzufließen droht.
Gesamtnote: 1-2
Charaktere: 2
Handlung: 1-2
Dieses Buch ist etwas für dich, wenn dir folgende gefallen haben:
Über den Autor: Tom Avery wurde in eine große Londoner Familie hineingeboren. Später
arbeitete er als Lehrer in London und Birmingham und parallel als Autor.
2010 erschien sein erstes Buch, das gleich den "Diverse Voices
Children's Book Awar" gewann. Mit seiner Familie lebt er in London. (
Quelle)